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Humanisten vor Ort

Evangelischer Kirchentag (Lutherdekade) 2017 in Leipzig

Am Ende der Lutherdekade noch mal alle Kräfte mobilisierend, kam der Evangelische Kirchentag dieses Jahr auch an Leipzig nicht vorbei. Mit modernem "Prunk und Protz", in Form von riesigen Showbühnen (die Rolling Stones wären neidisch!) und monsterhaft wirkenden, aufrecht stehenden Kreuzkonstrukten, die Scheinwerfer hielten, feiern die Verehrer des mittelalterlichen (Hass?)-Predigers ihre missionarische Personenkultfeier.

Mit einem Aufklärungsstand über die Finanzierung der Lutherdekade aus Steuermitteln, begrüßten und informierten wir als gbs-Leipzig die Gäste und Passanten über zwei Tage hinweg. Ein auffallend großer Teil der Kirchentagsbesucher jedoch waren Pfadfinder, die in ihren grünen Uniformen überall in der Stadt zu sehen waren. In verschiedenen Gesprächen am Informationsstand erfuhren wir, dass die meist jüngeren Mädels und Jungen als Helfer hierherbefördert wurden und dies eher als eine Art Ferienlager oder Klassenfahrt sehen. Nicht jeder davon schien jedoch besonders kirchen- oder glaubenstreu zu sein.


 

Während es am Donnerstag, zum "Männertag", noch etwas zäh verlief und auch die Kirchentagsbesucher weitestgehend ausblieben, kamen aber am Freitag doch ein paar mehr Leute vorbei. Auch "hinter" dem Infostand waren wir als gbs-Leipzig zahlenmäßig gut besetzt und bekamen zudem Unterstützung vom Stammtisch der "Leipziger Skeptiker".

Hiermit auch gleich ein ganz großes Dankeschön an alle Unterstützer, insbesondere an die "Mädels", die den Stand dann ganz fachmännisch allein weitermachten, als die Herren der (Nicht-)Schöpfung den Stand am Richard Wagner-Platz verliesen um auf Tour mit "Marty&Mo" zu gehen. Denn humanistischer "Männertag" hat ja nichts mit "Christi Himmelfahrt" zu tun.

Wie sich das für eine große Kunstaktion so gehört, stieg die Spannung ... und stieg ... und ... doch dann trafen die Aktivisten vom "11.Gebot"  in der Nähe des Neuen Rathaus - dem Sitz unserer städtischen Politik - ein. Passend zum Motto des Kirchentages "Du siehst mich", stellte sich "der nackte Luther" grüßend auf.





Nicht zuletzt durch etwas schlechtes Gewissen, weil wir unsere Humanistinnen am Infostand der gbs-Leipzig, der sich am anderem Ende des Stadtzentrums befindet, allein ließen, waren wir hoch motiviert, schnell die beiden Figuren aufzubauen. Zusammen mit den "Leipziger Skeptikern" und weiteren freiwilligen Helfern, unterstützten wir die Aktivisten vom "11. Gebot", welche kurz zuvor noch auf dem Kirchentag in Berlin demonstrierten.
Hier auch einen schönen Gruß an die Aktivisten vom "11.Gebot" (allen voran David Farago) und an den Reporter von der "Leipziger Internet Zeitung", der bereits den Aufbau mit dokumentierte.

Nachdem wir "Marty & Mo" dann fertig aufgebaut hatten und uns Richtung Innenstadt bewegten, pirschten wir uns nahezu unbemerkt von "hinten" an den Augustusplatz (als einen der Hauptveranstaltungsbereiche des Kirchentages) heran. Von dort aus aber, das Kirchtagsgeschehen nun direkt vor Augen, kamen wir - sage und schreibe - keine 100 Meter mehr weit, bis die Polizei uns aufhielt. 
Eine etwas ältere Kirchentagsbesucherin war zudem emotionell sehr aufgebracht und beschwerte sich wortreich über den Herrn Luther, wofür wir ja durchaus Verständnis haben.

Nach einer längeren, unfreiwilligen Wartepause ließ die Polizei uns dann aber doch unsere vorher bereits angekündigte Demonstration vollziehen. Da es nun aber schon Abend wurde, zogen wir die beiden Figuren nur bis an den Marktplatz (den zweiten Hauptveranstaltungsbereich des Kirchentages) und positionierten sie da, vor dem Hintergrund des Marktplatzes und des Alten Rathauses.

 
Ein schönes Fotomotiv - so sahen das auch sehr viele Andere. Die Reaktionen der Passanten waren unterschiedlich. Viele zückten ihre Handys und machten Fotos, etliche drückten ihren Dank oder ihre Freude darüber aus, dass wir als Kritiker der Kirchentagsfinanzierung hier öffentlich auftraten.
Ein Kirchentagsbesucher, erkennbar an dem orangenem Halstuch, fand soviel Freude an unserer Aktion, dass er eifrig fotografierte und darüber in seinem Internet-Blog berichtet. Aber auch von anderen Kirchentagsbesuchern und Pfadfindern hörten wir gelegentlich, dass ihre Kirche ja eigentlich genug Geld hat, diese Kirchentagsveranstaltungen selbst zu bezahlen.
Einigen anderen musste man unser Anliegen zwar erst erklären, da nicht jeder gleich die (unserer Ansicht nach aber eigentlich deutliche) Kritik erkannte und uns daher reflexartig Antisemitismus vorwarf. Mit ruhigen und freundlichen Worten aber, konnten diese Missverständisse schnell beseitigt werden.
Natürlich gab es auch ein paar fragwürdige Kommentare, die man uns so im Vorbeigehen hin warf, bspw. dass es da ja auch noch andere "Judenhasser" gab, wie Charles Darwin. Mhm .... Kirchentagskritiker = Atheisten = Evolution = Darwin (???).... war wohl ein Kreationist. Am Ende des Tages erlag dann auch noch ein Holocaustleugner seinen Reflexen, als "Marty&Mo" an ihm vorbeifahrend, die Innenstadt wieder verließen.

Die Aktivisten vom "11.Gebot" fuhren am späten Abend dann mit "Marty&Mo" im Gepäck weiter, zum Kirchentag nach Wittenberg. Wann sie wieder nach Leipzig kommen, ist ungewiss ... aber manchmal kommt der nächste Kirchentag schneller, als man denkt.


(Fotos und Bericht von Roman Ummerlée)