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"Säkulare Tage" starten durch

von R. Ummerlée

Tag 1

Leipzig. Manchen Erwartungen nach wurde im Vorfeld nur noch mit 30.000 Besuchern beim 100. Katholikentag gerechnet. Als Leipziger durch die Innenstadt schlendernd, denke ich: "Mhm, beim Wave-Gothik-Treffen vorherige Woche waren nicht weniger Leute zu sehen, nur waren da nicht so viele (meist leere) Veranstaltungszelte vom Katholikentag". Zudem konnte wohl zwischen 800 bis 300 Katholikentagsbesuchern kein Gästebett vermittelt werden.

Dafür aber war die Eröffnungsveranstaltung der "Säkularen Tage" gut besucht. Während der Lesung von Michael Schmidt-Salomon war im Veranstaltungsraum kein Sitzplatz mehr frei, und auch beim darauf folgenden Auftritt von Gunkl sah man nur vereinzelt leere Stühle. Michael Schmidt-Salomon sprach über den Menschen im Leben, gegenüber den Vorstellungen eines jenseitigen "Lebens". Und obwohl die Vergänglichkeit und Minimalität des Menschen und des menschlichen Lebens bestehen, kann der Mensch - als leidfähiges und vernunftbegabtes Wesen - versuchen, das Leid zu mindern. Sein Leid - sowie das Leid anderer Lebewesen.
Im zweiten Vortrag des Abend trat Gunkl auf. Obwohl er sich anlässlich der Säkularen Tage erst nur auf den religionskritischen Teil seines Vortrages konzentrieren wollte, entschied er sich kurzfristig um und brachte sein ganzes (aktuelles) Programm - zur großen Freude der Besucher.

Nach den Vorträgen traf man sich dann noch gemütlich zum Plaudern und um das regenfreie Wetter und das Ambiente des Veranstaltungsortes zu genießen. So klang im kommunikativen Austausch zwischen hpd und PdH, GBS und Gunkl der Abend langsam aus.



Tag 2

Das Team vom "11.Gebot" zieht mit Moses durch die Stadt und verkündet: "Bezahle deinen Kirchentag selbst!" Eifrige Mitarbeiter des Katholikentages möchten Moses verjagen?  - Eigentlich doch für die Leipziger Polizei eine willkommene Abwechslung zu den allmontaglichen Stadtumzügen "patriotischer ..." ...  Schauen wir, wie es weitergeht und fragen uns insgeheim, warum des Moses' Gebote bei den Mitarbeiteren des Katholikentags so unerwünscht scheinen.

Siehe Berichterstattung vom -> hpd

Aber nicht bei allen. Trotz starker Abwehrreflexe manch enthusiastischer Kirchentagsbesucher erfährt die Kunstaktion "11. Gebot" auch regen Zuspruch - insbesondere bei der Stadtbevölkerung. Aber hier und da finden sich auch Katholikentagsbesucher, die unsere Kritik an der staatlichen Subventionierung durchaus nachvollziehen können. 

Am Abend hatte Ralf König seinen Auftritt in der Moritzbastei.

Im soziokulturellen Zentrum "die naTo" fanden derweil die nächsten Vorträge im Rahmenprogramm der "Säkularen Tage" statt. Althistoriker Rolf Bergmeier sprach über den aus historischer Sicht nicht haltbaren Begriff des "christlichen Abendlandes". Dabei zeigte er auf, dass die Einflüsse des Christentums zwar für das Christentum gut waren, jedoch die Entfaltung Europas bis hin zur Gegenwart in deutlich stärkerem Maße der griechischen und römischen Antike, sowie den Einflüssen des frühislamischen Arabiens anzurechnen ist.
Den zweiten Vortrag des Abend hielt dann Phillip Möller, der trotz vereinzelter Zwischenrufe in seiner Beschreibung des Lebens zweier (teils) fiktiver Personen die Anliegen des evolutionären Humanismus in einer heiteren und alltagsnahen Darstellungsform aufgriff und Widergabe.

Und damit es nicht heißt, nur die Religiösen hätten Rituale, traf man sich nach den Vorträgen wieder in geselliger Runde zum Plaudern, Philosophieren, Chillen und Kontakte knüpfen.

Tag 3

Der Moses hatte heute einen ruhigen, aber teils auch etwas verregneten Tag. Des juristischen Wirrwarrs wegen eine Wanderpause einlegend, entzog er sich dennoch nicht der Öffentlichkeit und verdeutlichte erneut den Willen auf eine Gespräch mit den Katholikentagsbesuchern. Zwar durfte er heute nicht wie gewohnt durch die Innenstadt wandern, stellte sich dafür aber auf einen zentralen Platz, so das er seine Aufklärungsarbeit dennoch fortsetzen konnte. Diese Gespräche blieben auch nicht aus, wenngleich dem oft eifrigen Gesprächsgast kein Sitzplatz angeboten werden konnte. Dafür blieben beim Katholikentag die Plätze oftmals frei, wie sich auch die Kirche eingestehen musste. Der Stadt prognostizierte der Katholikentagsveranstalter noch 80.000 Besucher - tatsächlich kamen dann nur rund 40.000. -> siehe hpd

Auch wie es mit Moses weiter geht, weiß der hpd zu berichten:
"Moses geht zum OVG" und "Moses bekommt Recht ..."
 

Die heutige Veranstaltungsreihe der "Säkularen Tage" eröffnete Carsten Frerk im gut gefüllten Veranstaltungsraum und thematisierte den kirchlichen Lobbyismus in den politischen Kreisen unserer "Kirchenrepublik Deutschland".
Im zweiten Vortrag des Abends sprach Dr. Gerhard Czermak über die gesetzlichen Grundlagen der religionsbezogenen Rechte und wies dabei auf die oft vorkommenden, verfassungsrechtlichen Fragen oder Widrigkeiten hin. 

Und zum Ausklang noch ein Schluck ... in humanistischer Gesellschaft und Überlegungen betreffs Moses nächster Schritte ...

Tag 4

Moses ließ sich nicht beirren und verkündete weiterhin sein "11.Gebot". Die diesjährige Intention (oder Mission?) des Kirchentages war es eigentlich, das Gespräch mit Nichtgläubigen zu suchen. Doch daran scheiterten die kirchentagseigenen Veranstaltungen. Zur Abschlusskundgebung des Katholikentages wurde Moses auch noch verbannt - man befürchtete das der "alte Mann" Waffen oder Sprengstoff unter "Hasendraht und Pappe", aus denen er besteht, mit sich führe. Das Angebot, den Moses nach Sicherheitslücken zu durchsuchen, wurde jedoch abgelehnt. Das erinnert stark an: "Irritiert mich nicht mit Fakten - ich habe bereits eine feste Meinung!"
Wer aber von den Kirchentagsbesuchern mit Nichtgläubigen wirklich ins Gespräch kommen wollte, hatte beim Mosesteam und seinen Begleitern dazu die Möglichkeit.

David Farago: „Die Begründung ist fadenscheinig und zeigt erneut, dass sich die Stadt zum devoten Deppen des Katholikentags gemacht hat: Erst lässt man sich zu einer Millionensubvention überreden, dann kommen nur halb so viele Besucher wie erwartet und schließlich unterdrückt man auch noch stellvertretend für die Kirche missliebige Stimmen.“

Maximilian Steinhaus, Sprecher der Aktionsgruppe „11. Gebot“, ergänzt: „Der Katholikentag hat heute sein wahres Gesicht gezeigt: von Toleranz und Dialog keine Spur! Wir sind es gewohnt von christlichen Funktionären als ,aggressive Atheisten’ verunglimpft zu werden. Die Stadtverwaltung ist hingegen zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Dass Sie uns nun in eine Reihe setzt mit religiösen Fanatikern und ihren Sprengstoffgürteln, ist ein unfassbarer Skandal!“


Den Vortragsabend der "Säkularen Tage" eröffnete heute Dr. Gerhard Czermak, indem er über die Judenfeindlichkeit der Kirchen, bis hin zur Zeit des Nationalsozialismus sprach. Darauf folgend erklärte Daniela Wakonigg die Bemühen und Erfolge, sowie die Geschichte der Kunstaktion "11. Gebot".

Nach den Vorträgen verlagerte sich das Gespräch - wie an jeden Abend innerhalb der "Säkularen Tage" - in den Restaurantbereich des Veranstaltungsortes. Und am "Tisch der Humanisten" wurden dann die säkularen Aktionen der letzten Tage reflektiert und als erfolgreich befunden.

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Großen Dank gilt dem Veranstaltungsort der "Säkularen Tage": "die naTo", sowie den angreisten Vortragenden:
Michael Schmidt-Salomon, Günther "Gunkl" Paal, Rolf Bergmeier, Philipp Möller, Dr. Carsten Ferk, Dr. Gerhard Czermak und Daniela Wakonigg.
Weiterhin gilt großem Dank dem Team vom "11. Gebot" und den angereisten, die Aktionen unterstützenden Humanisten. Im Besonderen möchte ich Maximilian & Jana Steinhaus, sowie David Farago danken.


Bildergaleriehttp://www.11tes-gebot.de/bilder-leipzig-2016.html