Sie sind hier

Pressemitteilung vom 30. Mai 2021

Leipziger Humanisten fordern: „Verfassung achten: Keine Kanzel in die Aula!“

29 Jahre christlicher Lobbyismus durch den Paulinerverein sind genug!

Die Leipziger Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung („gbs Leipzig“) hat 29 mal auf den Augustusplatz vor der Universitätsaula ihre Forderung gesprüht: „Keine Kanzel in die Aula!“ Anlass hierfür ist die erneute Forderung der christlichen Lobbygruppe „Paulinerverein“, die historische Kanzel in der Universitätsaula anzubringen.

Bereits im September 2019 hatte der Senat der Universität Leipzig nach einem umfangreichen Klima-Monitoring dies nahezu einstimmig abgelehnt, da dass Raumklima der barocken Kanzel schaden könnte (siehe hierzu unsere damalige Pressemitteilung). Dennoch geben die Pauliner keine Ruhe und greifen die Universität und deren Rektorin Prof. Dr. med. Beate A. Schücking in der Leipziger Volkszeitung vom 28.05.2021 frontal an: Die Uni-Leitung vergehe sich mit ihrer Ablehnung in „höchst bedenklicher Weise an den damaligen Aufrechten“ (gemeint sind die Menschen, die „wegen ihrer Proteste gegen die Sprengung 1968 verfolgt, inhaftiert und seelisch gebrochen wurden“). Die Rektorin habe „eine letzte Chance“, sich durch die Anbringung der Kanzel „in Leipzig ein Denkmal zu setzen“. Schon fast wie eine Drohung heißt es weiter, die „offene Wunde“ werde auf jeden Fall geschlossen werden.

Maximilian Steinhaus, Sprecher der gbs Leipzig: „Die Taktik der Pauliner, alle paar Monate ungebeten von der Seitenlinie reinzubrüllen und der Universität Vorhaltungen zu machen, ist nur die Fortsetzung der jahrhundertelangen Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit durch die Kirchen. Indem der Paulinerverein die Ablehnung der heutigen Universitätsleitung in die Nähe der damaligen Sprengung rückt, disqualifiziert er sich (erneut) für jeden weiteren Diskurs. Da sich die Pauliner ihre Niederlage immer noch nicht eingestehen wollen, mussten wir ihnen die Entscheidung der Universität noch einmal vor Augen führen. Natürlich ist es kein Zufall, dass wir unsere Forderung genau 29-mal auf den Boden gesprüht haben: Während die Pauliner heute mit dem Gottesdienst der Sprengung der damaligen Universitätskirche vor 53 Jahren gedenken, wollen wir darauf hinweisen, dass diese christliche Lobbygruppe sich bereits seit 29 Jahren in die Angelegenheiten der Universität einmischt und versucht, die Trennung von Staat und Kirche auszuhebeln. In der öffentlichen Debatte wurde die Frage, ob der Staat überhaupt eine Kirche bauen darf, leider viel zu wenig beachtet. Die Sprengung mag Unrecht gewesen sein, aber dass der Staat mit Hochschulgeldern eine Kirche baut, ist auch ein Verfassungsbruch.

Unter dem Label „Bürgerinitiativkreis »Wort halten«“ geht der Paulinerverein einen neuen Weg. Anstatt den sog. Harms-Kompromiss – wie zuvor geschehen – abzulehnen, wollen sie sich plötzlich auf ihn berufen. Dabei picken sie sich aber nur die Rosinen heraus, die ihnen schmecken, nämlich die grundsätzlich formulierte Einigung, die geretteten Teile an den historischen Ort zurückzubringen. Dies umfasse nach Ansicht der Pauliner auch die Kanzel. Tatsächlich aber ist der Harms-Kompromiss wenig hilfreich, denn an anderer Stelle betont dieser, dass die Entscheidungskompetenz rechtlich dem Bauherrn (= der Freistaat Sachsen) im Einvernehmen mit der Universität zusteht. Dies muss aber erst recht auch für die Kunstschätze wie die Kanzel gelten, die im Eigentum der Universität stehen.

Hierzu noch einmal Steinhaus: „Die Forderung der Pauliner an die Universität, ihr »Wort zu halten« und zu dem Harms-Kompromiss zu stehen, ignoriert gerade den Kompromiss-Charakter dieses Dokuments: Die Universität ist der damaligen CDU-Landesregierung und der evangelischen Landeskirche sehr weit entgegen gekommen und es wurden so viele historische Kirchenelemente im Paulinum angebracht, dass dieses kaum noch als eine universitäre Aula zu erkennen ist. Mit dem Einbau der Kanzel würde die Universität ihre weltliche Aula endgültig verlieren. Der sakrale Charakter des Gebäudes ist schon jetzt erdrückend. Das wäre gerade kein Kompromiss mehr, sondern die nahezu vollständige Umsetzung der Sonderwünsche einer christlichen Minderheit. Wir fordern daher nicht »Wort halten«, sondern »Verfassung achten«: Die Trennung von Staat und Kirche gilt sowohl finanziell als auch institutionell und auch auf der Ebene der Hochschulen!

Wir weisen vorsorglich darauf hin, dass wir keine „Graffiti-Farbe“ verwendet haben, sondern lediglich Sprüh-Kreide. Beim nächsten Regen wird die Schrift zwar weggespült werden, doch wir hoffen, dass die Botschaft hängen bleibt.

Wer mit uns in den sozialen Medien über die Aktion diskutieren möchte, sollte den Hashtag #KeineKanzelindieAula verwenden.

Für weitere Informationen weisen wir auf unsere umfangreichen Stellungnahmen aus 2017 und 2019 hin. 

Nachtrag: Die Pauliner ertragen es nicht mal, unsere Forderung #KeineKanzelindieAula (mit "k"!) auch nur für einen Tag mal stehen zu lassen. Wie immer verdrehen sie die Aussagen der anderen solange, bis sie ihnen passen. Sie haben das "k" aus unserer Forderung gestrichen. Jetzt heißt es leider #eineKanzelindieAula. Dabei behaupten die lieben Christen doch immer, die Kanzel stünde für #Redefreiheit.



Fotos von der Aktion zur freien Verwendung (Urheber: gbs Leipzig) finden Sie unter diesem Link.

Die Aktion in den sozialen Medien:

bei Facebook
bei Twitter
bei Instagram